Gegensätze
In Aserbaidschan fallen als Erstes die grossen Gegensätze zwischen dem Land und der Hauptstadt Baku auf. Erdöl und Gas haben das Land reich gemacht und der Reichtum scheint sich in Baku zu konzentrieren. Herausgeputzte Strassen und Plätze, Luxuskarossen und westlicher Kleidungsstil prägen das Leben im Zentrum, Wolkenkratzer wie die berühmten Flametowers und moderne öffentliche Gebäude wie das Museum of modern art geben dem Ganzen einen entsprechenden Rahmen. Auf dem Land hingegen ist wenig von diesem Reichtum zu spüren: Landwirtschaft, Kleingewerbe, harte Arbeit für wenig Lohn.
Doch auch in Baku selber verbirgt sich hinter der modernen Fassade oft ineffiziente Bürokratie, ein Überbleibsel sowjetischer Planwirtschaft, wie man uns sagt. Wir warten tagelang auf eine Fähre nach Kasachstan, werden mit widersprüchlichen Informationen versorgt und immer wieder auf später oder morgen vertröstet. Als wir endlich, nach einer fast schlaflosen Nacht in einem Hotelkorridor, nach einstündiger Fahrt um 5 Uhr Morgens am Hafen in Alat eintreffen, um die uns genannte Fähre zur uns genannten Zeit zu erwischen, teilt man uns mit, dass die Fähre gestern Abend im Nordhafen abgelegt habe… Unsere Nerven liegen blank, aber hartnäckiger Widerstand (Janosch hat sich mit seinem Campingutensilien im Hafenbüro breit gemacht, bis die Polizei gerufen wurde - die sich dann allerdings auch für uns einsetzte) und unser Bitten sind vergeblich. Und so fahren wir resigniert zurück in die Stadt und checken zum dritten Mal im selben Hotel ein. Nach einer erneuten Warteschlaufe und insgesamt mehreren ‘verlorenen’ Tagen, die unseren engen Zeitplan bis Ulaan Baator ernsthaft in Gefahr bringen, sind wir endlich an Bord einer hochmodernen Luxusfähre (modern und luxuriös war die Fähre tatsächlich, aber in den 1950’er Jahren, jetzt wartet sie offenbar seit vielen Jahren erfolglos auf die Ausmusterung). Wir teilen die Fähre, die uns nach einem weiteren Wartetag an Bord in 30 Stunden über das kaspische Meer bringt, mit 36 Lastwagenfahrern, einem jungen südkoreanischen Velofahrer (Sam) auf dem Heimweg, einem älteren velo-weltreisenden Ehepaar aus der Bretagne (http://deux-loca-terre-a-velo.blogspot.fr) sowie mit einem holländischen und einem amerikanischen Rucksacktouristen.
Das lange Warten hat uns nicht nur die Gelegenheit gegeben, uns von den anstrengenden Töfffahrten zu erholen, sondern auch Zeit für Sehenswürdigkeiten in und um Baku herum: die wunderschöne Altstadt mit dem Jungfrauenturm, ein hinduistischer Feuertempel, Ölförderanlagen aus der Zeit der UdSSR, kleine Gasvulkane, die vor sich hin blubbern, prähistorische Wandmalereien. Und immer mal wieder eine lokale Spezialität auf den Teller. Wir sind von Sadj (Sadsch) begeistert, ein gut gewürztes und variantenreich angebotenes Fleisch-Gemüsegericht, das in einer Wok-ähnlichen Pfanne gebraten und serviert wird.
Die im Iran provisorisch geschweisste Felge wurde in Baku dank Alekseis grosser Unterstützung innerhalb eines Tages fachmännisch repariert und wir sind gerüstet für die kommenden Unebenheiten auf den Strassen von Kasachstan und Usbekistan.