Heimatgefühle
Zum zweiten Mal erwartet uns ein Grenzübergang nach Kasachstan. Leider haben wir dieses Mal den falschen erwischt (nur für Einheimische), was uns einen Umweg von 140 km beschert. Den 4 Russen, die ebenfalls mit dem Motorrad unterwegs sind, gehts nicht besser und so machen wir diese Grenzerfahrung gemeinsam. Alles Gepäck geröntgt, alle Formulare ausgefüllt, der letzte Schlagbaum hinter uns (übrigens: Schlagbaum verstehen hier alle - eines der wenigen deutschen Wörter, die von vielen Ländern in ihren Wortschatz aufgenommen wurden) und ab auf Hotelsuche. Um Mitternacht checken wir mit den 4 Russen (nicht Russinnen…) in einem Stundenhotel ein und ein paar Stunden später wieder aus.
In der folgenden Nacht schlagen wir unser Zelt an einem Platz auf, der auch irgendwo im Emmental sein könnte: grüne Wiese, Bächlein und ein paar Stauden. Nur der nicht ganz einfache Austausch mit der Bauernfamilie bei Tee und Süssem erinnert uns daran, dass wir weit weg von zuhause sind.
In Taras treffen wir - was für ein Zufall - Sam wieder, den Südkoreaner, der mit dem Velo unterwegs ist. Vor einer Woche hatten wir uns nach der Überfahrt über das kaspische Meer von ihm verabschiedet (nein, sein Fahrrad fährt nicht schneller als unsere BMW’s, er hat Usbekistan mit dem Zug umfahren). Es gibt viel zu erzählen und wir stossen mit sehr guten kasachischem Bier auf das unglaubliche Wiedersehen an.
Unser nächstes Ziel ist Almaty, wo die letzte BMW Garage auf uns wartet. Und hier kommen wieder Heimatgefühle auf. Nicht wegen der BMW-Garage; Almaty, die grösste Stadt Kasachstans und frühere Landeshauptstadt, wartet mit einer Bergkulisse vom Feinsten auf. Mit etwas Fantasie, die Sinne vom Heimweh getrübt, findet man selbst die Umrisse von Eiger, Mönch und Jungfrau wieder. Die erste Nacht verbringen wir hoch oben am gefrorenen Big Almaty Lake in einer winzigen Hütte, die beiden weiteren bei Vater und Sohn in einem Guesthouse inmitten der Stadt. Mit Beziehungen und so schaffen wir es, unsere neuen Heidenau-Pneus mit Mongolei-tauglichem Profil innerhalb eines halben Tages (statt 2 Tagen) vom Zoll zu holen und tags darauf verlassen wir, dank Mikhail und Viktoriya von der örtlichen BMW-Garage, Almaty mit 2 überholten Motorrädern, die genauso glänzen wie unsere Augen, als wir sie sehen.
Kurz bevor wir Kasachstan in Richtung Russland verlassen, weichen die fast baumlosen Steppen Nadelwäldern, die doch sehr an die Freiberge erinnern…
Aber es ist in Kasachstan natürlich nicht alles wie in der Schweiz: Kasachstan ist ein Bisschen grösser ;-) ehrlich gesagt, rund 66 mal) die Löcher sind nicht im Käse, sondern in den Strassen (im Internet werden gewisse Strassenabschnitte auch als ‘bombed out’ bezeichnet) und in der BMW-Garage gab es 30% Rabatt!
Nun freuen wir uns auf Russland. Durch das Altai-Gebirge soll eine der schönsten Bergstrassen der Welt führen - ein Traum für Biker, sagt man. Wir werden sehen.